Nach fast einem Jahr andauernder Massenproteste indischer Landwirte, kündigte der indische Premierminister Narendra Modi am Freitag, 19.11.2021 öffentlich an, dass die geplanten und umstrittenen Gesetze der Agrarreform zurückgezogen werden sollen. Er appellierte an die zwischen zehn- und hunderttausende Bauern, die vor der Hauptstadt seit November 2020 campieren, sie sollen nach Hause zurückkehren und entschuldigte sich dafür, dass seine Regierung beim Vermitteln der Vorteile der Reform „versagt“ hätten.
Die Reformen hätten die Agrarwirtschaft effizienter machen sollen, doch die Landwirte befürchteten, sie würden es Großkonzernen erlauben, den kleinbäuerlich geprägten Agrarsektor komplett zu übernehmen. Die Demonstranten bleiben skeptisch. Die Kehrtwende des Regierungschefs erfolgte im Vorfeld wichtiger Wahlen in den Bundesstaaten Punjab und Uttar Pradesh.
Mehr als acht von zehn landwirtschaftlichen Betrieben sind Kleinbauern auf Parzellen unter zwei Hektar. Stetig und zuletzt steil steigende Kosten für Kunstdünger und Pestizide, um auf zunehmend ausgelaugten Böden einen Ertrag zu erwirtschaften und zu halten – die sogenannte „grüne Revolution“ trieb zahlreiche Bauern in den Selbstmord. Zudem fehlen Anpassungshilfen gegen die zunehmenden Wetterkapriolen in Zeiten der Klimakrise. Umgerechnet verlieren stündlich hundert Bauern ihr Land durch Notverkauf, Vertreibung durch Bauprojekte, Degradierung der Bodenqualität, Wasserknappheit, zu niedrige Preise für ihre Produkte.
Die Proteste in Delhi verlaufen bereits viele Monate; es starben bei den blutigen Auseinandersetzungen Menschen. „Indiens Landwirtschaft braucht eine Kombination aus Umweltschutz, Maßnahmen zur Eindämmung und zur Anpassung an den Klimawandel, und einem auf Gerechtigkeit fußenden System, das auch Landlosen etwas Land zuschlägt“, so Bharat Dogra für das Fachjournal der Welthungerhilfe. „Noch wertvoller wäre der Protest, wenn er sich ebenso klar zu einer ökologisch orientierten Landwirtschaft bekennen würde. Nicht nur, um die Degradierung und die Schäden der grünen Revolution zu stoppen, sondern um sich für die Zukunft zu rüsten.“
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