In der aktuellen März-Ausgabe der „Le monde diplomatique“ zeigt die investigative Journalistin Sonia Shah – Autorin des Buchtitels „Pandemic: Tracking Contagions, from Cholera to Ebola and Beyond“ (2016) – auf, wo die Ursachen für Pandemien, wie aktuell durch den Corona-Virus verursacht, zu finden sind. Sie skizziert auslösende Ereignisse, die in der jüngeren Geschichte für die massive Ausbreitung von Infektionskrankheiten wie Ebola, Lyme-Borreliose, Cholera und anderen verantwortlich sind und gelangt dabei stets an denselben Ausgangspunkt: die immer raschere Zerstörung von Lebensräumen.

Die Mehrheit der zahlreichen Erreger die seit 1940 laut Shah – zum Teil wieder – in Erscheinung treten (60 Prozent) sind tierischen Ursprungs – ein Drittel von Haustieren, zwei Drittel stammen von Wildtieren. Der größte Teil der Mikroben lebt in den Wildtieren, ohne diesen zu schaden. Das Problem sieht die Autorin nicht bei den Tieren, sondern beim Menschen: „Durch die immer massivere Abholzung der Wälder und die wachsende Urbanisierung haben wir diesen Mikroben Wege eröffnet, den menschlichen Körper zu erreichen und sich entprechend anzupassen.“ Durch die Zerstörung der Lebensräume droht zahlreichen Arten die Ausrottung. Mit dem Ausweichen der überlebenden Arten in menschliche Siedlungen, ermöglicht dies den Erregern den Kontakt mit Menschen, wobei sich die Mikroben dort anders auswirken können, als sie es bei den Tieren getan haben.

Der vollständige Beitrag kann als Audiodatei (12min) hier angehört werden:

Auch der Evolutionsbiologe Rob Wallace erörtert die strukturellen Ursachen für die aktuelle Pandemie und thematisiert neben der Verdrängung und Zerstörung von Ökosystemen, die Verantwortung der Agrarindustrie. Der Autor von „Big Farms Make Big Flu“ (2016) stellte dem Magazin Marx21 in einem ausführlichen Interview dar, wie das vermehrte Auftreten von Viren in engem Zusammenhang mit der Nahrungsmittelproduktion und der Profitabilität  multinationaler Unternehmen steht. „Wer verstehen will, warum Viren immer gefährlicher werden, muss das industrielle Modell der Landwirtschaft und insbesondere der Viehzucht untersuchen“ so Wallace. Dazu seien im Moment jedoch die wenigsten bereit.

Krankheitserreger, die über lange Zeiträume entstanden sind und in Waldökosystemen gebunden waren, werden durch die Aneignung von Land und Ressourcen durch Industrieländer (Landgrabbing) freigesetzt. Die Agrarindustrie bietet zudem die besten Bedingungen, durch die sich Krankheitserreger zu gefährlichen und ansteckenden Erscheinungsformen entwickeln können: „Durch Züchtung genetischer Monokulturen von Nutztieren werden alle eventuell vorhandenen Immunschranken beseitigt, die die Übertragung verlangsamen könnten. Eine große Tierpopulation und -dichte fördert hohe Übertragungsraten. Solche beengten Verhältnisse beeinträchtigen die Abwehrkräfte des Immunsystems der Tiere. Ein hoher Durchlauf von Tieren, der Teil jeder industriellen Produktion ist, versorgt die Viren mit ständig neuen Wirtstieren, was die Ansteckungsfähigkeit der Viren fördert“ so Wallace im Interview. Nachhaltige Lösungen für die Eindämmung solchartiger Infektionskrankheiten sieht der Biologe in einer radikalen Änderung unserer Nahrungsmittelproduktion, sowie in strategischen Wiederaufforstungsmaßnahmen und der Förderung der Artenvielfalt bei Tieren und Pflanzen. Die Subventionierung ökologischer Landbewirtschaftung kann ein Schritt in diese Richtung sein.