In den beiden auf den Brasan-Skandal folgenden Jahren 2002 und 2003 wurde auf keinem direkt an die Häuser von Klein Jasedow angrenzendem Feld Raps angebaut. Zu den Rapsfeldern bestand in beiden Jahren eine Entfernung von wenigstens einem Kilometer und mehr. Dennoch setzen einige Mitglieder der Bürgerinitiative die Beobachtungen fort. Die Beobachtungen aus beiden Jahren zeigten, dass dort, wo Raps angebaut wurde – und nicht nur in der Gemeinde Pulow –, dem geübten Auge eindeutig dieselben Weißverfärbungen der Zeigerpflanzen auffielen, und zwar nicht nur an Feldrändern, sondern auch in etwas weiterer Entfernung.
Diese Beobachtung ist zumindest für das Gemeindegebiet Pulow insofern erstaunlich, als bei dem Arbeitsgespräch am 16. September 2004 der Geschäftsführer der Peeneland Agrar GmbH, Bernard Kowolik, glaubhaft versichert hat, in den beiden Jahren kein clomazonehaltiges Mittel eingesetzt zu haben. Er habe erst 2004 wieder zu einem solchen Mittel gegriffen, als mit dem neuen Nimbus CS ein technisch sichereres Präparat verfügbar zu sein schien. Wir haben keinen Grund, an dieser Aussage zu zweifeln.
Dennoch konnte in beiden Jahren beobachtet werden, dass trotz der beträchtlichen Entfernung zu den Rapsfeldern in Klein Jasedow an ähnlichen Stellen (z.B. am Seeufer oder an bestimmten Heckenrändern) wie im Jahr 2001 vereinzelt weiß verfärbte Vogelmiere und Melde auftrat, und zwar jeweils ein Büschel von mehreren benachbarten Pflanzen am selben Standort. Dies könnten zwar auch „normale“ Chlorosen (krankhafter Chlorophyllmangel) gewesen sein. Trotzdem ist auffallend, dass es eben an denselben Stellen auch immer mehrere Pfanzen betraf.
In beiden Jahren schien gegen Ende August und Anfang September vor allem der Löwenzahn eigenartige Blatbewegungen zu vollführen: Seine Blätter standen wie orientierungslos nach oben und zeigten nicht die sonst ausgeglichene, harmonische strahlenförmige Anordnung. Die Blätter waren in sich meist eine Viertel- bis eine halbe Drehung verdreht, und es schien, als könne er die Blattoberseiten nicht richtig der Sonne zuwenden.
Dieselbe Beobachtung konnte auch an Bäumen gemacht werden. Vor allem an den Bäumen in der Ahornallee von Klein Jasedow nach Papendorf konnte man eine gewisse Unfähigkeit der Bäume, ihre Blätter im Tageslauf der Sonne zuzuwenden, erkennen. Ein ähnliches Verhalten zeigten auch manche Mirabellenbäume der Allee von Lassan nach Pulow. Ein bei aufmerksamer Betrachtung deutlich erkennbarer Teil der Blätter blieb den ganzen Tag in der Stellung, in der sie am Morgen schon waren, so dass ihre (hellere) Unterseite von der Abendsonne beschienen wurde. Dasselbe gilt für Pappeln.
Sowohl die „Verrenkungen“ des Löwenzahns wie auch die eigenartige Blattstellung der Bäume führen wir nach dem Erkenntnisgewinn des Arbeitsgesprächs vom 16. September 2004 nicht mehr auf den Wirkstoff Clomazone zurück. Entweder ist diese Erscheinung eine Wirkung der Chlorverbindungen Dimetachlor oder Metazachlor (letzteres ist auch in anderen Herbiziden wie Butisan enthalten) zurückzuführen, oder wir müssen uns auch zusätzlich dem Wirkstof Glyphosat zuwenden. Glyphosat ist der Hauptwirkstoff, der in Totalherbiziden wie Roundup (Monsanto) oder Touchdown (Syngenta) dafür sorgt, dass kein Hälmchen mehr überlebt. Im Zug der pfluglosen Bodenbearbeitung werden die Felder komplett „totgespritzt“, und das bedeutet in unserem Fall, dass buchstäblich quadratkilometerweise Glyphosat über der Landschaft ausgebracht wird. Bei dem Arbeitsgespräch am 16.9.2004 wurde auch darüber gesprochen, dass die ausgebrachten Mittel ja eine gewisse Beständigkeit haben müssen, um entsprechend lange auf die Pflanzen einwirken zu können. Die Frage ist unbeantwortet, wie lange sich Glyphosat in der Atmosphäre hält und wie es bei diesem Pflanzengift mit der sekundären Verfrachtung aussieht.
Nicht nur unter dem Eindruck der fortwährenden Mobbing-Kampagne gegen die Opfer der Brasan-Havarie im September 2001, sondern auch, um eine eventuelle Beeinflussung anderer nach bester Möglichkeit zu vermeiden und nicht Opfer von Psychosen zu produzieren, wurden diese Beobachtungen in den Jahren 2002 und 2003 nicht an andere weitergegeben. Dennoch meinen die Beobachter, in beiden Jahren einen merklichen Anstieg gewisser Krankheitssymptome wahrgenommen zu haben wie im September 2001: für die Jahreszeit untypische „Erkältungs“-Erscheinungen, Atemwegsbeschwerden wie geschwollene Schleimhäute und anhaltender Hustenreiz, Schluckbeschwerden und metallischer Geschmack im Mund, anhaltendes Unwohlsein und Mattigkeit, anhaltende Hautreizungen z.T. mit erhöhter Temperatur etc. Ob diese Symptome mit der Ausbringung von Clomazone oder von Glyphosat zusammenhingen, lässt sich freilich nicht eindeutig sagen, da es keinen scharf abgegrenzten Zeitrahmen gab wie bei der Brasan-Spritzung 2001. Die Informationen über entsprechende Symptome wurden meist erst später im beiläufigen Gespräch gegeben. Wir haben aber dennoch den Verdacht, dass sich bei einer Untersuchung der Arztbesuche in den fraglichen Zeiträumen ein ähnliche Zunahme gewisser Beschwerden finden würde, wie 2001, als Frau Dr. Wessel vom Gesundheitsamt Anklam bestätigte: „Wir haben versucht, Beschwerden zu objektivieren. Ich habe Kontakt zu vielen Arztpraxen aufgenommen und muss sagen, dass die Infekthäufigkeit im fraglichen Zeitraum offenbar tatsächlich zugenommen hat. Die Krankheitsbilder der Patienten passen zu den Effekten, die mutmaßlich in Zusammenhang mit dem Clomazone beschrieben werden.“ (siehe Protokoll der Pressekonferenz vom 26.9.2001 in Papendorf).
Erwähnenswert ist die Tatsache, dass die 2001 für einen möglichen Zusammenhang zwischen Clomazone und/oder Glyphosat und Pflanzenschäden bzw. Krankheistsymptomen sensibilisierten Menschen keinen Grund zu erhöhter psychischer Empfänglichkeit hatten, da bekannt geworden war, dass Brasan offenbar in neuer Formulierung mit verbesserten Auflagen wieder zugelassen worden war und die Felder aus subjektiver Sicht weiter weg lagen, z.B. außer Sichtweite. Man konnte davon ausgehen, dass sich Schäden wie in 2001 nicht wiederholen würden. Dennoch ist selbstverständlich eine gewisse Grundwachsamkeit immer gegeben, und es wurde auch beobachtet, dass über unspezifische Symptome geklagt wurde, wenn ein Spritzenfahrzeug auf den Äckern unterwegs war, ohne dass man wusste, was im speziellen Fall gespritzt worden war.
Insgesamt ist es aus unserer Sicht nach wie vor dringend erforderlich, die seinerzeit geforderte Langzeitstudie zur Beobachtung der Auswirkungen geringster Dosen von Ackergiften im Großflächenanbau durchzuführen. Auch bei großzügigster Anerkennung des psychischen (Angst-)Faktors Betroffener gegenüber der Ausbringung von Ackergiften gibt es genügend ernstzunehmende Hinweise auf einen objektiv bestehenden Zusammenhang zwischen der Spritzperiode von Ende August bis Mitte September und gesundheitlichen Beeinträchtigungen von Menschen, Grünpflanzen und Bäumen. Auch der Verdacht auf eine Kombinationswirkung verschiedener Gifte im Niedrigst-Dosis-Bereich hat sich durch die Beobachtungen in den beiden Jahren 2002 und 2003 nicht ausräumen lassen. Zu diesem Thema wurde ebenfalls bei dem Arbeitsgespräch am 16.9.2004 diskutiert.