Wissensexkursion Permakultur, Teil 12.

Das elfte Permakulturprinzip nach David Holmgren fordert dazu auf, unser Bewusstsein für Randzonen zu schärfen und auch Wege jenseits allgemeiner Trends zu gehen.

Randzonen sind Übergangsbereiche zwischen zwei Systemen. In der Natur finden wir beispielsweise beim Übergang vom Land zum Wasser das Ufer oder beim Übergang vom Wald zur Wiese den Waldrand. In diesen Bereichen ist das Leben am intensivsten und produktivsten; hier durchmischen sich die Lebensbereiche der Tier- und Pflanzenarten beider Seiten.

Die wichtigste Übergangszone unseres Planeten für uns Menschen und alles ­Leben auf dem Land ist der lebendige ­Boden – jener dünne Bereich zwischen Atmosphäre und mineralischem Untergrund. Tiefer, gut durchlässiger und durchlüfteter ­Boden ist wie ein Schwamm, ist eine große Schnittstelle, die produktives und gesundes Pflanzenleben unterstützt. Nur wenige Spezialisten der Flora kommen in kompakten und verdichteten Böden zurecht. Methoden zur Förderung einer gesunden Bodenentwicklung sind das Kompostieren, das Mulchen, die Fermentation von Abfällen (zur Fäulnisvermeidung), der Anbau in Mischkulturen sowie ein ganzheitliches Weidemanagement.

Mit einer Vergrößerung der ­Randzonen lässt sich die Produktivität von Systemen steigern, ohne diese selbst vergrößern zu müssen. Die Fläche der Randzonen in der Struktur einer Landschaft sieht David Holmgren als einen Indikator für biologische Vielfalt an, die mit Ressourcen-Vielfalt gleichbedeutend ist und somit ökonomische Produktivität ermöglicht.

Als Beispiel beschreibt er die Entwicklung der mediterranen Landschaft in der Geschichte: Einzelne Holzeinschläge im ursprünglich flächendeckenden Wald hätten hier für mehr Randzonen gesorgt. Es wurde Platz für Weideland und ein wenig Getreidebau geschaffen; größere ökologische Vielfalt und höhere landwirtschaftliche Produktivität waren die Folge. Weiteres ­Abholzen im Lauf der Zeit reduzierte jedoch die Randzonen und führte zu Degradation und verringerter Produktivität. Vom 14. bis zum 16. Jahrhundert wurden vielerorts die steinigen, durch Überweidung zerstörten Hügel terrassiert. »Heldenhafte Konstruktion und sorgfältige Erhaltung landschaftlicher Randzonen« hätten hier die landwirtschaftliche Produktivität wieder erhöht.

Als ein randständiges, wenig von der Allgemeinheit wahrgenommenes System beschreibt Holmgren wilde Nahrungsmittel: Im vorindustrialisierten Europa habe das zusammengesetzte Gefüge der Landschaft noch viele der Nahrungsmittel und Produkte zur Verfügung gestellt, die die Menschen brauchten. »Die Wälder und ­Heckenreihen lieferten nicht nur Heiz- und Baumaterial, sondern auch Tierfutter (Laub, Eicheln, Bucheckern), menschliche Nahrung (Beeren, Haselnüsse, Kaninchen, Pilze) und medizinische Pflanzen (Weißdorn, Beinwell, Holunder). Wassersysteme sorgten für Fisch und pflanzliches Material für Körbe und andere Konstruktionen. Diese Vielfalt der natürlichen Produktivität zwischen der Feldwirtschaft war entscheidend, um die Bedürfnisse der ärmsten Menschen zu decken; in Hungersnöten war das Überleben ganzer Gemeinden von ihr abhängig.«

Das Wissen über die Nutzbarkeit von Wildpflanzen zur Ernährung ist in weiten Teilen der westlichen Welt verlorengegangen. Glücklicherweise gibt es inzwischen zahlreiche Bücher, Führungen und Kurse zu diesem Thema. Neben dem Finden und Erkennen essbarer Pflanzen liegt die Herausforderung heute darin, die eigenen Essgewohnheiten bewusst zu gestalten und neuen – alten – Nahrungsmitteln (wieder) einen Platz einzuräumen. •

Quelle
Oya – anders denken. anders leben, Ausgabe 28
http://www.oya-online.de/article/read/1527-.html

Autor
Ulrike Meißner

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Kategorien: Humusrevolution