Untersuchungen zeigen bei Menschen aus schwer mit Ackergiften belasteten Regionen Lateinamerikas Zusammenhänge zwischen Krebserkrankungen und Pestiziden auf. Zudem werden Bezüge zu B-Zellen Lymphomen und Hirnkrebs hergestellt sowie zur Schädigung von DNA.
Auf etwa 125 Millionen Morgen Land in Argentinien, Brasilien, Bolivien, Uruguay und Paraguay wird seit 1996 gentechnisch verändertes Soja angebaut. Seither macht die Region tiefgreifende Veränderungen mit. Das als »Soja Republik« bezeichnete Gebiet von der Größe Kaliforniens wird stark mit dem Pflanzenvernichtungsmittel Roundup besprüht. Ärzte der Region haben nun eine alarmierende Zunahme an Krebserkrankungen dokumentiert. Die Organisation »Doctors of Fumigated Towns« (zu Deutsch etwa: Ärzte begaster Städte) hielten im August 2010 eine nationale Konferenz in Córdoba, im Zentrum des argentinischen Soja-Anbaugebiets, ab. Das »Department of Medical Science« der National University von Córdoba finanzierte die Konferenz, an der über 160 Ärzte aus dem ganzen Land teilnahmen.
Der auf Umweltgesundheit Kinderarzt Dr. Medardo Avila Vazquez sagte:
»The change in how agriculture is produced has brought, frankly, a change in the profile of diseases. We’ve gone from a pretty healthy population to one with a high rate of cancer, birth defects and illnesses seldom seen before. What we have complained about for years was confirmed and especially what doctors say about the sprayed towns and areas affected by industrial agriculture. Cancer cases are multiplying as never before in areas with massive use of pesticides.«
In Argentiniens ärmster Provinz Chaco wurden 2012 zwei Dörfer verglichen: das stark mit Agrargiften besprühte Avia Terai und das nicht behandelte, vor allem durch Viehwirtschaft geprägte Charadai. In dem von Äckern umgebenen Bauerndorf gab es bei 31% der Bewohner mindestens ein Familienmitglied, das an Krebs erkrankt war, wohingegen im Viehhalterdorf dies bei nur 3% der Bewohner der Fall war.
Auch in den USA, Kanada, Europa, Australien und Neuseeland wurden in Untersuchungen mögliche Zusammenhänge zwischen Glyphosat, dem Hauptwirkstoff von Roundup, und Krebs erforscht. Eine große Anzahl an Studien haben sich auf einen möglichen Zusammenhang von Glyphosat und dem Non-Hodgkin-Lymphom fokussiert. Wissenschaftler der »International Agency for Research on Cancer« (IARC) haben Langzeitstudien aus beinahe drei Jahrzehnten analysiert. Die IARC ist der Zweig der Weltgesundheitsorganisation, der Krebsforschung fördert. Fachkundige Wissenschaftler der ganzen Welt aus den Bereichen Epidemiologie, Laborwissenschaften und Biostatistik arbeiten gemeinsam an der Ursachenerforschung von Krebs, um künftig Präventionsmaßnahmen zu ermöglich. Die Behörde sieht eine direket oder indirekte Verbindung zwischen Krebserkrankungen und Umweltfaktoren.
Im April 2014 veröffentlichten Wissenschaftler der IARC einen Bericht über 25 Jahre Forschungsarbeit zu möglichen Beziehungen zwischen Pestizidbelastung und dem Non-Hodgkin-Lymphom. Dabei zeigten sie eine Verbindung zwischen Herbiziden wie Glyphosat und Krebs auf. So wurde bspw. die B-Zellen-Lymphom-Untergruppe deutlich in Beziehung mit der Aufnahme von Glyphosat gebracht.
Roundup und Hirnkrebs
Wissenschaftler der Behörde für Toxische Substanzen und Krankheitsregister, ein Zweig des US-Department für Gesundheit und Humandienste, sind spezialisiert auf Krankheiten, die durch toxische Substanzen verursacht werden. 2009 veröffentlichten sie ihre Ergebnisse der »US Atlantic Coast Childhood Brain Center Study«. In dieser Studie wurden Kinder mit Hirnkrebs aus Florida, New Jersey, New York und Pennsylvania mit gleichaltrigen verglichen. Die Forschungen ergaben, dass die Gefahr für Kinder, an Hirnkrebs zu erkranken, sich verdoppelte, wenn eines seiner Eltern innerhalb von zwei Jahren vor der Geburt des Kindes der Ausbringung von Roundup ausgeliefert war.
Das Problem solcher Studien ist, dass Kausalzusammenhänge in standardisierten wissenschaftlichen Überprüfungen über stichprobenartig kontrollierte Studien eruiert werden. Da es ethisch nicht vertretbar ist, Menschen zu diesen Zwecken Herbiziden auszusetzen, verwenden Wissenschaftler eine Vielzahl an experimentellen Modellen, um Krebsrisiken bewerten zu können.
Roundup, Erbgutschädigung und fehlerhafte Zellteilung
Die Beschädigung der DNA ist oft der erste Schritt bei der Entwicklung von Krebs. Ist die DNA einmal angegriffen, können Fehlanweisungen eine Umprogrammierung der Zellen verursachen, welche sich fortan schnell und chaotisch teilen. Auf diese Weise beginnen Krebszellen zu wachsen. Eine Anzahl von Tierversuchen zeigten alle dieselben Ergebnisse auf: Durch die Belastung mit Roundup wurde die Zell-DNA geschädigt. Dies zeigte sich bei Fruchtfliegenlarven, bei Mäusen, in den Blutzellen des europäischen Aals und in den Lymphozyten von Kühen.
2004 wurde in einer Studie des National Scientific Research Center der »Pierre und Marie Curie-Universität« in Frankreich, die Verursachung signifikanter Fehler bei der Zellteilung von Seeigel-Embryos durch Roundup nachgewiesen. Die Forscher kommentierten diese Abnormalitäten als Krebskennzeichen und lieferten eine besonders abschreckende Warnung: Die verursachende Konzentration an Roundup, die solche Schädigungen bei Seeigel-Embryos hervorruft, war 500 bis 4000 mal geringer als die Dosis, der Menschen durch Herbizid-Ausbringung ausgesetzt sind.
Dr. Fernando Manas, als Biologe an der National University von Rio Cuarto in Argentinie seit Jahren an der Erforschung der Auswirkungen von Pestiziden beteiligt, untersuchte Pestizid-Ausbringer der Sojaindustrie in Córdoba. Er entdeckte bei den Lymphozyten der Arbeiter bedeutend mehr DNA-Schäden als bei der Vergleichsgruppe von Menschen, die den Pestiziden nicht ausgesetzt waren. Roundup war auch hier das häufigste Pestizid in der Anwendung. Die Betroffenen entwickelten eine Anzahl akuter Symptome wie Bauchschmerzen, Erbrechen, Durchfall, Fieber, Herzklopfen, Kopfschmerzen, Schwindel, Taubheitsgefühle, Schlaflosigkeit, Depression, Kurzatmigkeit, Seheintrübungen, Augenbrennen, Blasen und Hautausschlag.
Das Nachweisen von Kausalzusammenhängen
1964 präsentierte der Chirurg Dr. Luther Terry im »Surgeon General’s Report«, einem Meilenstein, der damals erstmalig den Bezug von Tabbakkonsum und Krebs aufzeigte, Kriterien zur Feststellung von Ursache-und-Wirkung-Beziehungen in einer wissenschaftlichen Studie. In diesem Sinne werden Zusammenhängen als »stark«, »spezifisch« oder »konsistent« definiert. Die Ursache muss der Wirkung vorangehen und der Zusammenhang muss biologisch plausibel sein.
Dr. Wild und Dr. Seber zitieren diesen Bericht in ihrem hochangesehenen Statistik-Lehrbuch »Chance Encounters« und bieten ein Beispiel für einen »starken Zusammenhang«: Wenn eine Krankheit viermal so häufig bei Menschen auftritt, die einem möglichen Einfluss ausgesetzt sind, als bei jenen, für die es nicht sind, so wird von einem überzeugenden Zusammenhang ausgegangen. Die meisten Beobachtungen von Glyphosat-Belastungen zeigen ein doppeltes Krebsrisiko auf. Doch für entsprechende weiterführende Untersuchungen wird es naturgemäß keine »Freiwilligen« geben.
Die Wissenschaftsauffassung von Regierungen entspricht nicht unbedingt dem Stand der Wissenschaft
Roundup wurde bereits eindeutig als Verursacher von Missgeburten und Krebserkrankungen bestätigt. Die Wissenschaft spricht dies sehr klar aus, doch mächtige wirtschaftliche Interessen überwiegen bislang scheinbar alle Bedenken. Führungskräfte der biochemischen Agrarunternehmen und ihre Sponsoren ignorieren und verleugnen die wissenschaftlichen Belege über die Schäden, die Roundup verursacht.
Die US-Regierung zeigt sich zum Beispiel stets willig und stark in der Unterstützung der biochemischen Agrarindustrie. So hat sie etwa noch vor kurzem die Regierung El Salvadors mit der Drohung erpresst, 277 Millionen US-Dollar Entwicklungshilfegelder zu streichen, wenn man sich weigerte, Monsantos gentechnisch verändertes Saatgut zu kaufen. El Salvador blieb allerdings standhaft und will weiterhin mit dem Saatgut der heimischen Landwirte arbeiten.
Der Autor der vorliegenden Studie Jeff Ritterman vergleicht die biochemische Agrarindustrie mit einem Krebsgeschwür, das sich erbarmungslos ausbreitet und zerstörerische Substanzen freisetzt. Er wirft die Frage auf, ob ein lebendiger Planet diesem Gift standhalten kann, so wie ein Mensch versucht, einer Krebserkrankung standzuhalten. Schließlich fordert er einem Kampf gegen diese Art der Landwirtschaft in einer vergleichbaren Stärke, wie die Menschheit sich dem Kampf gegen Krebs widmet.
Quelle
Truthout
http://truth-out.org/news/item/26614-monsanto-s-roundup-linked-to-cancer
Autor
Jeff Ritterman
Truthout.org. Reprinted with permission.