Vorwort der Herausgeber
Dieser Report befasst sich im Detail mit den Risiken des Unkrautvernichtungsmittels 2,4-D. Anlass für den Bericht ist die zunehmende Zahl von Zulassungsanträgen für den Import gentechnisch veränderter Pflanzen in die EU, die gegen u.a. Herbizide wie 2,4 D resistent gemacht wurden. Diese Anträge spiegeln das wachsende Interesse wider, derartige Pflanzen in Ländern wie den USA, Brasilien und Argentinien anzubauen. Nach mehr als zehn Jahren des großflächigen Anbaus gentechnisch veränderter Pflanzen, die hauptsächlich gegen Glyphosat resistent sind, sehen wir hier nicht nur diese deutliche Zunahme derartiger Pflanzen im Anbau13, sondern auch eine Zunahme der Glyphosatanwendungen.14 Zudem gibt es deutliche Hinweise auf eine wachsende Belastung der Pflanzen mit Rückständen aus diesen Spritzmitteln.15
Die Analyse der Zulassungsanträge, die derzeit in der EU16 ebenso wie in anderen Ländern der Welt anhängig sind, zeigt, dass die Gentechnik in der Landwirtschaft vor allem eingesetzt wird, um immer mehr Pflanzen gegen Spritzmittel resistent zu machen. Dabei geht es nicht nur um das Spritzmittel Glyphosat, sondern auch um acht weitere Herbizide oder Gruppen von Herbiziden wie Glufosinat, AOPPs (auch als FOPs bekannt), Dicamba, ALS inhibitors, Imidazolinon, Isoxaflutol, Mesotrione und 2,4-D. Von einigen dieser Herbizide ist bekannt, dass sie sehr giftig sind, wie zum Beispiel Glufosinat, Quizalofop (aus der Gruppe der AOPPs) und Isoxaflutol. Etliche der gentechnisch veränderten Pflanzen sind gegen mehrere Herbizide gleichzeitig resistent .
Im Ergebnis ist eine steigende Belastung der Nahrungskette mit Rückständen zu erwarten. Zum Beispiel wurden für die Anwendung von Dicamba auf gentechnisch veränderten Pflanzen die Rückstandshöchstgehalte17 erhöht.Gleichzeitig ist zu erwarten, dass auch krebserregende Rückstände wie Formaldehyd18 zunehmen, die beim Abbau von Dicamba entstehen.
Das Unkrautvernichtungsmittel 2,4-D war (neben 2,4,5-T) Bestandteil des Entlaubungsmittels Agent Orange, das während des Vietnam-Kriegs eingesetzt wurde. Die offensichtlich verheerende Wirkung auf die menschliche Gesundheit wurde damals vor allem durch Dioxine verursacht, die als hochgiftiges Nebenprodukt bei der Herstellung von Bei 2,4-D (und 2,4,5-T) auftreten. Dioxin wird seit 1997 als krebserregend eingestuft, obwohl die Industrie lange versucht hat, diese Klassifizierung zu verhindern.19 Zudem sind sowohl Schäden für Embryonen als auch für das Immunsystem zu befürchten. Wie dieser Bericht zeigt, können in manchen Mischungen von 2,4-D immer noch hohe Mengen an Dioxin gefunden werden. Zudem zeigen unabhängige Untersuchungen, dass es auch Hinweise auf Schädigung durch 2,4-D selbst gibt. Diese betreffen die embryonale Entwicklung20, Geburtsschäden21 und den Hormonstoffwechsel.22 23

Derzeit führt die EU eine Überprüfung der Zulassung von 2,4-D durch. Die Europäische Lebensmittelbehörde EFSA bewertet dabei ein Dossier, das von den deutschen Behörden erstellt wurde. Danach wird die EU über eine Verlängerung der Zulassung entscheiden. Es gibt erhebliche Bedenken im Hinblick auf die Risiken für die Anwender (wie Landwirte), die Landbevölkerung und die Umwelt in den Gegenden, in denen die herbizidresistenten Pflanzen angebaut und mit 2,4-D gespritzt werden:
1. Derzeit ist der Gebrauch von 2,4-D auf bestimmte Anwendungen beschränkt. In der Zukunft würden wesentlich größere Flächen mit dem Herbizid gespritzt, wenn entsprechende herbizidresistente Pflanzen angebaut werden. Es ist bekannt, dass 2,4-D (genauso wie Dicamba) auch sehr leicht mit dem Wind auf die Nachbarfelder verfrachtet werden kann.24
2. Es gibt viele Mischungen von 2,4-D, die angewendet werden können, aber nur einige von ihnen wurden auf Risiken für Mensch und Umwelt getestet. Es gibt deutliche Hinweise darauf, dass die Risiken verschiedener Mischungen unterschätzt werden.
3. Das Risiko für einer direkte Aufnahme von 2,4-D über die Haut (u. a. beim Sprühen) scheint größer als bisher angenommen und gibt besonderen Anlass zur Sorge.
4. Es gibt trotz entsprechender Hinweise, keine ausreichenden Untersuchungen der Auswirkungen von 2,4-D-Salzen und -Estern auf mögliche hormonelle Effekte bei Wasserorganismen und auf die männliche Fruchtbarkeit.
5. Schäden durch Verunreinigungen mit Dioxinen für die Gesundheit und die Umwelt können nicht ausgeschlossen werden.
Vor diesem Hintergrund fordern die beteiligten Organisationen:
• Die Ausweitung des Anbaus von herbizidresistenten Pflanzen in der Landwirtschaft sollte gestoppt werden. Bestehende Marktzulassungen müssen im Hinblick auf ihre Auswirkungen auf die nachhaltige Landwirtschaft, Umwelt und Lebensmittelproduktion gründlich überprüft werden.
• Die Anträge auf den kommerziellen Anbau von Pflanzen, die gegen 2,4-D resistent gemacht wurden, sollten zurückgewiesen werden, weil diese zu einem starken Anstieg der Nutzung des Spritzmittels führen würden und sich damit auch die Risiken für Landwirte, die Landbevölkerung und die Umwelt erhöhen.
• Die bestehenden Zulassungen von 2,4-D und insbesondere von 2,4-DMA-Produkten sollte ausgesetzt werden, bis eine Neubewertung der Risiken erfolgt ist. Dabei muss auch die Aufnahme des Wirkstoffs durch die Haut eingehend geprüft werden, unter Berücksichtigung von realistischen Szenarien wie einer Anwendung über Rucksack-Sprüher.
• Es muss gesetzlich vorgeschrieben werden, dass alle Pestizide frei von Dioxinen sein müssen. Dazu muss auch festgelegt werden, dass eine repräsentative Zahl von Produkten aller Hersteller überprüft und die Details der Überprüfung sowie ihre Ergebnisse öffentlich gemacht werden.
• Alle Salze und Ester von 2,4-D müssen im Hinblick auf ihre hormonellen Effekte auf aquatische Organismen überprüft werden.
• Die Auswirkungen auf die männliche Fruchtbarkeit müssen mit geeigneten Methoden überprüft werden.
• Die möglichen Auswirkungen von 2,4-D auf die Entwicklung des Embryos, auf Geburtsschäden und das Hormonsystem des Menschen müssen im Detail untersucht werden.
• Ein Fruchtwechsel auf landwirtschaftlichen Nutzflächen muss vorgeschrieben werden, um der Ausbreitung von Unkräutern und Schädlingen entgegenzuwirken.
• Bei der Vergabe staatlicher Subventionen müssen die Ökologisierung der Landwirtschaft und pestizidfreie Methoden zur Bekämpfung von Unkraut stärker berücksichtigt werden.

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13 Benbrook, CM (2012): Impacts of genetically engineered crops on pesticide use in the U.S. — the first sixteen years. Environmental Sciences Europe 24(1):1-13.
14 Ebd.
15 http://www.testbiotech.de/en/node/926
16 http://registerofquestions.efsa.europa.eu/roqFrontend/questionsListLoader?unit=GMO
17 EFSA PPR Panel (2013): Reasoned opinion on the modification of the MRL for dicamba in genetically modified soybean. EFSA Journal 2013;11(10):3440, 38 pp.
18 EFSA GMO Panel (2013a), Scientific Opinion on application EFSA-GMO-NL-2011-93 for the placing on the market of the herbicide-tolerant genetically modified soybean MON 87708 for food and feed uses, import and processing under Regulation (EC) No 1829/2003 from Monsanto. EFSA Journal 2013;11(10):3355, 30 pp. doi:10.2903/j.efsa.2013.3355.
19 Hardell L (2008): Pesticides, soft-tissue sarcoma and non-Hodgkin lymphoma – historical aspects on the precautionary principle in cancer prevention. Acta Oncologica 47: 347-354.
20 Greenlee AR, Ellis, TM, Berg RL (2004): Low-dose agrochemicals and lawn-care pesticides induce developmental toxicity in murine preimplantation embryos. Environmental health perspectives 112(6):703-709.
21 Schreinemachers DM (2003): Birth malformations and other adverse perinatal outcomes in four US Wheat- producing states. Environmental Health Perspectives 111(9):1259-1264.
22 LaChapelle AM, Ruygrok ML, Toomer M, Oost JJ, Monnie ML, Swenson JA, Compton AA Stebbins-Boaz B (2007): The hormonal herbicide, 2, 4-dichlorophenoxyacetic acid, inhibits Xenopus oocyte maturation by targeting translational and post- translational mechanisms. Reproductive toxicology 23(1):20-31.
23 Stürtz N, Jahn GA, Deis RP, Rettori V, Duffard RO, Evangelista de Duffard AM (2010): Effect of 2, 4- dichlorophenoxyacetic acid on milk transfer to the litter and prolactin release in lactating rats. Toxicology 271(1):13-20.
24 Mortensen D. A., Egan J. T., Maxwell B. D., Ryan M. R., Smith R. G., Navigating a critical juncture for sustainable weed management. BioScience 2012, 62:75–84.

Quelle
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http://www.testbiotech.org/node/1010

Autor
Lars Neumeister

A joint publication of
Testbiotech
GeneWatch UK
Pesticides Action Network (PAN) Europe

Kategorien: Studien