Eine Gemeinderatssitzung, die es in sich hatte. Elf Gemeinderäte, die ein eindeutiges Ergebnis einer Volksabstimmung völlig unberührt lässt. Und 2377 Malser Wähler, die sich weniger ver- als getreten fühlen dürften.

Ein paar wenige atmen auf. Wir alle atmen ein. Und zwar Pestizide. So lautet das Ergebnis der am 7. Januar 2015 abgehaltenen Gemeinderatssitzung in Mals im Vinschgau. Nachdem eine überwältigende Mehrheit der Malser im September 2014 in einer für Europa einzigartigen Volksabstimmung für eine pestizidfreie Zukunft auf ihrer 247 Quadratkilometern großen Gemeindefläche votierte, setzten elf Gemeinderäte dem pestizidfreien Zukunftswillen der Bürger und Bürgerinnen ein vorläufiges Ende. Auch wenn der gleiche Gemeinderat ein Jahr zuvor eine Satzungsänderung beschloss, die besagt, dass die Ergebnisse von Volksabstimmungen bindend seien, weigerten sich einige der Volksvertreter und Volksvertreterinnen nun, mit einer weiteren Satzungsänderung – Kernstück der Volksabstimmung für eine pestizidfreie Gemeinde – dem Willen des Volkes Rechnung zu tragen.

Auch in der demokratischen Republik Italien stünde die oberste Staatsgewalt dem Volke zu. Auch deswegen gibt es die Möglichkeiten der Volksabstimmungen.

Interessant wird nun, inwiefern die Gemeinderäte mit dem Akt der Verhinderung den Wählern, den Biobauern, dem Tourismus, ihren Kolleginnen und Kollegen im Gemeinderat sowie den Kindern in Mals erklären, warum sie nicht für den Eintrag in die Satzung der Gemeinde sind, deren Grundlage sie mit einer Satzungsänderung vom September 2012 erst ermöglichten. An mangelnder Vorbereitungszeit auf das Thema und einer groß angelegten Möglichkeit der intensiven Beschäftigung damit kann es nicht gelegen haben: Seit 2011 sorgten verschiedene Umwelt- und Bürgerinitiativen, oft mit Unterstützung von Bio-Bauernverbänden für Veranstaltungen mit Umweltmedizinern, Toxikologen, Umweltchemikern, Landwirten, Regionalentwicklern und etlichen Podiumsdiskussionen für Erwachsenenbildung. Die Bürgerinnenbewegung Hollawint trug mit Filmabenden und öffentlichen Aktionen in der gesamten Gemeinde Mals zu einer weiteren Sensibilisierung bei. Spätestens aber ab der Gründung des Promotorenkomitees im Frühjahr 2013 dürfte auch Veranstaltungsunwilligen Gemeinderäten bewusst geworden sein, dass dieses Thema einer eventuell pestizidfreien Gemeinde Mals in einer ähnlichen Geschwindigkeit auf sie zurast wie die neuen Monokulturen, die sich in ihrem Gemeindegebiet vermehren wie Milben bei 40 Grad im Schatten. Was etliche Bürgerinnen und Bürger zu Hause vor dem Fernseher, im Internet und in zahlreichen Publikationen an weiterem Wissen fanden, nämlich die Tatsache, dass industrielle Landwirtschaft ein weltweites Thema ist, das sich um Abhängigkeiten von großen Agrarkonzernen dreht, dass die weltweit schwindende Biodiversität durch Pestizide verstärkt wird, dass zahlreiche Krankheiten wie neuro-toxikologische Pathologien, Krebs und Parkinson oder auch chronischer Botulismus bei Kühen durch Pestizide ausgelöst werden, dürfte bei den Gemeinderäten angekommen sein.

Doch kein noch so guter Grund war den elf Gemeinderäten gut genug. Die Aufmerksamkeit internationaler Medien, die von Europa nach Japan bis in die U.S.A. reicht, die Unterstützung von Hans-Rudolf Herren und Vandana Shiva, beide Träger des Right-Livelihood-Awards, die Einladungen der Malser Promotoren und Akteure zu Ärztekongressen nach Arezzo und Brescia, zu Tagungen wie der Bioland-Bundesdelegiertenversammlung in Deutschland oder in der römischen Abgeordnetenkammer ließ die Gemeinderäte kalt.

Hollawint sieht sich in der glücklichen Lage, das Anliegen für eine pestizidfreie Gemeinde Mals – eng verbunden damit ist ein Schutz der lokalen Biobauern vor der Abdrift ihrer spritzender Nachbarn, ein Schutz der Bevölkerung vor gesundheitsgefährdender Abdrift, eine Steigerung des Konsums von regionalen und ökologisch angebauten Lebensmitteln und damit ein Mehr an Interesse der lokalen Bauern für eine erhöhte Vielfalt ihres Angebotes, einen stärkeren Schutz für eine für die Bevölkerung und Touristen attraktive, strukturreiche Landschaft, einen lebenswerten Lebensraum für unzählige Tier- und Pflanzenarten und ein hervorragendes, seltenes Alleinstellungsmerkmal einer außergewöhnlichen Gemeinde mit einem Mehrwert für alle – auch in den kommenden Monaten weiterhin voranzutreiben. Bis es durchgesetzt wird. Denn eines dürfte in den vergangenen Jahren deutlich geworden sein: Abwählen kann man Hollawint nicht.

Quelle
HOLLAWINT Netzwerk für nachhaltiges Leben
http://hollawint.com/

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